Manchmal müssen im Leben Entscheidungen getroffen werden, die eigentlich niemand treffen möchte. Das ist im Geschäftsleben aber anders. Um wirtschaftlich langfristig auf einen grünen Zweig zu kommen, müssen Zahlen stimmen, Versuche abgebrochen, Emotionen zur Seite geschoben und Standorte aufgegeben werden.
Die Situation von car2go und seinem Pilotstandort Ulm stellt sich ein bisschen so dar wie die Geschichte einer Jugendliebe. Hier beginnt alles. Es werden viele Dinge ausprobiert. Man hat Spaß miteinander und die anfängliche Euphorie ist groß. Doch dann kommt irgendwann ein Knackpunkt. Ihn genau zu benennen fällt schwer. Denn bei den ambitionierten Plänen des einen war von vorn herein klar, dass für den anderen kein Platz mehr sein wird. Auch wenn sich das niemand eingestehen wollte. Es hätte ja schließlich klappen können.
Kein Freefloating Carsharing mehr in Ulm
Die große weite Welt ruft. Nach dem Scheitern in London wird das Glück in New York gesucht. Viele andere Stationen werden noch folgen. Doch alle Städte, in denen car2go in Zukunft vertreten sein wird, müssen ein Ziel erfüllen: schwarze Zahlen schreiben. Zwar streut Daimler sein Carsharing deutlich offensiver in die Städte Europas und Nordamerikas als beispielsweise DriveNow. Dennoch wird gezielt nach Standorten gesucht, die mit einer gewissen Bevölkerungsdichte und der damit verbundenen Affinität zu alternativen Mobilitätslösungen aufwarten können. Auf der Facebookseite von car2go gibt es allerdings ein paar erboste Stimmen zum Rückzug, denen das Social Media Team mit viel Mitgefühl antwortet.
Das verflixte fünfte Jahr
2009 war car2go in Ulm gestartet. Rund 20.000 Mitglieder hat der Standort bis heute – von denen allerdings verhältnismäßig wenige ihre Mitgliedskarte auch wirklich für Fahrten benutzen. Die Nutzungsrate sei weit unterdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Städten. Von car2go Sprecher Andreas Leo war zu hören, dass man den Service in Ulm „schweren Herzens“ einstelle. Es wäre allerdings aus heutiger Sicht nicht möglich, das System in Ulm „nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich“ zu machen.
Der Standort Blaustein, der als sogenannter „Satellit“ oder „Exklave“ im Geschäftsgebiet von Ulm integriert ist, wird mit diesem Schritt vermutlich auch wegfallen. Die Strategie von car2go wird mit dem Weggang aus Ulm nun aber deutlicher denn je: Es gilt, Carsharing an den 29 Standorten in Europa und Nordamerika profitabel zu machen. Dabei wird viel investiert. Aber wenn es sich nicht lohnt, muss der Schritt zurück gemacht werden. Ob London und Ulm die letzten Städte bleiben, aus denen sich car2go zurückzieht?
Quelle: südwestpresse
Bild: Car2Go